Unser Körper ist unsere grundlegende Realität. Von Geburt an ist unser Körper unser ständiger Begleiter. Nur durch ihn sind wir hier in dieser Welt und können an ihr teilhaben. Durch ihn atmen, bewegen, fühlen, denken, lieben wir. Durch ihn teilen wir uns mit, drücken wir uns aus. Unser Körper ist unser Leben – wenn wir nur seine Impulse und seinen Ausdruck verstehen und ihm mehr vertrauen würden.
Für viele Frauen stellt jedoch der eigene Körper ein großes Hindernis auf ihrem Weg zur Liebe und einer erfüllten Sexualität dar.
Viele tragen oder schleppen ihren Körper wie ein Handgepäck mit sich herum und betrachten ihn aus der distanzierten Vogelperspektive. Oder wie durch die Kamera eines Modefotografen, der die Topmodells für die Titelseiten der Frauenzeitschriften und Modezeitungen einfängt. Wir vergleichen uns mit den Schönheitsidealen der Titelmodelle und schneiden dabei unter unserem kritischen und erbarmungslosen Blick vor dem Spiegel meistens schlecht ab. Da ist der Bauch zu dick oder faltig, der Busen zu klein oder hängend, die Beine zu dick oder kurz, das Haar zu lockig oder zu glatt, die Augen zu klein oder engstehend. Die Palette der körperlichen Mängel ließe sich unschwer fortsetzen. Dabei orientieren wir uns an den Maßen, die andere vorgeben, statt selbst zu entscheiden, was wir schön finden, bzw. womit wir uns wohl fühlen. Mit dieser vernichtenden Selbstkritik vermitteln wir uns selbst ein Gefühl, nicht richtig, ungenügend oder falsch zu sein, was unser Selbstvertrauen schwächt und uns klein macht.
Das ist besonders für uns Frauen sehr tragisch, weil wir zutiefst mit unserem Körper identifiziert sind und Körperlichkeit wie auch Schönheit und Ästhetik zu unseren essentiellen weiblichen Qualitäten gehört.
Viele verstecken ihren Körper hinter einer unweiblichen eher männlich orientierten Kleidung und einem neutralen, burschikosen Verhalten, um ja nicht aufzufallen. Und es sind gerade auch diese Frauen, die in meinen Trainings unter der großen Distanziertheit und mangelnder Sensitivität gegenüber dem eigenen Körper leiden.
Mit ihrem Körper sind ein Großteil der Frauen auf Kriegsfuß,
denn Essstörungen gehören zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen junger Frauen in der westlichen Welt. 50% aller Mädchen unter 15 Jahren halten sich für zu dick, bei Normal- oder Untergewicht. Und 25% aller 7-10-jährigen Mädchen haben schon einmal eine Diät gemacht, 90% der weiblichen Teenager wollen abnehmen. Die Zahl der Magersüchtigen stieg in den letzten zehn Jahren um das dreifache. Junge Frauen hungern sich im wahrsten Sinne zu Tode, um dem Schönheitsideal der Glitzer- und Glamourwelt der Boulevardpresse zu entsprechen. Denn sechs Prozent der Frauen sterben in den ersten Krankheitsjahren daran, dauert die Sucht länger als ein Jahrzehnt, steigt die Rate auf bis zu 18 Prozent.
So kommen viele Frauen, die sich bewusst ihrem Körper zuwenden auch erst einmal in Kontakt mit diesen alten Wunden der Beschämung und körperlichen Minderwertigkeit. Diese Gefühle sind oft sehr tief in ihrem Körper gespeichert und hindern sie daran, wirkliche Freude an Körperlichkeit und Sinnlichkeit zu erleben und sich sexuell frei zu entfalten. Diese alten Wunden können wir jedoch heilen, indem wir uns in aller Behutsamkeit, mit all der Aufmerksamkeit und Anerkennung unserem Körper zuwenden und ihm die Liebe schenken, nach der wir uns oft ein Leben lang sehnen und hoffen, sie von anderen, vorzugsweise dem Mann zu bekommen.
Die „Verpanzerung" unseres Körpers
Unser Körper beherbergt unsere Sinne, durch die wir diese Welt wahrnehmen und auf sie reagieren. Indem wir der inneren Bewegung der sinnlichen Wahrnehmung folgen, spüren wir, fühlen wir. Der Körper ist Sitz all unserer Gefühle und Empfindungen. Nur durch ihn fühlen wir und können wir unsere Gefühle und Empfindungen zum Ausdruck bringen. Ist der Körper lebendig, so ist er in einer permanenten Bewegung: Blutkreislauf, Organe, Gewebe und Zellen bewegen sich in unaufhörlicher Pulsation. In einem Körper, der durchlässig und weich ist, fließt diese unaufhörliche pulsierende Bewegung, löst ein Vibrieren des Körpers aus und erzeugt die natürliche lustvolle Erregung von der Basis, die sich in Lebensfreude verwandelt. Diese Erregung, diese pulsierende Energie bringt starke und sich ständig wechselnde Gefühle hervor. Wir können in einem Augenblick voller Liebe sein, im nächsten Moment zornig und kurze Zeit darauf traurig. Bei Kindern können wir den manchmal schnellen Wechsel der Gefühle beobachten. Sie sind der natürliche, unschuldige und ungehemmte Ausdruck ihrer Lebensenergie. Diese innere Pulsation vermittelt ein Gefühl von Stärke, Vitalität, Wohlbefinden und lebensbejahender Freude, während die Verdrängung von Gefühlen einen Prozess des Abtötens darstellt. Nicht nur die Gefühle werden abgetötet, sondern die tiefere Pulsation unserer Energie wird gestört und blockiert. Egal welches Gefühl unterdrückt wird, es leidet die gesamte energetische Pulsation darunter, indem sie blockiert wird.So leiden viele Frauen (wie auch Männer) unter einem erstarrten, festen und bewegungsarmen Körper oder aber unter dem Gefühl der Lust- und Freudlosigkeit, dem Eindruck, nicht wirklich Fühlen und Spüren zu können. Beides hängt miteinander zusammen. Zusätzlich machten wir unseren Körper für all diese Konflikte verantwortlich und bestraften ihn dafür mit Ablehnung, Ignoranz und Verachtung. All diese Erlebnisse der Zurückweisung, Geringschätzung, Vernachlässigung und körperliche Schmerzen haben unseren Körper eng, fest und starr werden lassen, haben ihn geprägt und zu dem gemacht, was er heute ist.
Aber auch alle schönen Erfahrungen, die unseren Körper haben wachsen und aufblühen lassen wie Zärtlichkeiten und liebevolle Anerkennung, Berührungen, Streicheln, körperliche Wärme und Achtung haben ihre Spuren in unserem Körper hinterlassen.
Den eigenen Körper annehmen
So ist unser Körper zu dem geworden, was er heute ist. Jeder Körper hat seine eigene Geschichte, seine eigene Biographie. Jeder Körper kann uns etwas erzählen über das, was er erlebt hat, wenn wir nur aufmerksam sind und seine Sprache verstehen lernen. Doch nicht nur die individuellen Erfahrungen sind in ihm gespeichert, sondern auch alle kollektiven Erlebnisse unseres Geschlechts hinterließen in ihm Spuren.
Wenn Sie Ihrem Körper regelmäßig Aufmerksamkeit schenken und ihn lieben, lösen Sie seine muskulären Verspannungen. Ihr Körper wird dann weicher und durchlässiger. Wenn Sie beginnen sich regelmäßig und von Herzen Lust zu schenken, befreien Sie die verbotenen und verbannten Gefühle von Scham und Schuld und werden frei. Auf diese Weise nehmen Sie Ihren Körper wieder ganz zu sich und verbinden sich mit ihm. Sie betrachten ihn nicht mehr nur distanziert vor dem Spiegel, was Sie durchaus noch weiterhin tun dürfen, sondern fühlen und erleben ihn von Innen. Ihr Körper wird Ihr zu Hause, indem Sie sich wohl fühlen, entspannen und ganz bei sich sind. Sie lernen ihn immer besser kennen, wie einen Freund und gewinnen immer mehr Vertrauen, seinen Impulsen und Gefühlen zu folgen. Und können ihn als das genießen und feiern, was seine Bestimmung ist: als einen Tempel der Lust, der Liebe und Spiritualität.