Mit der Abwehr der Mutter sowie der von ihr vorgelebten weiblichen Frauenwelt wurden auch all jene weiblichen Qualitäten verneint und verdrängt, die sich leise hinter ihren deformierten Formen verbargen.
Ratio war angesagt. Die Frauen fühlten sich als Mitglied der leistungsorientierten Männerwelt und waren vollkommen mit dem väterlich-männlichen Werten identifiziert, die da sind: Leistungswille, Selbstdisziplin, fokussierte Willenskraft, Vernunft gesteuertes erfolgsorientiertes Handeln. Mit Selbstdisziplin und Leistungswillen bewältigten sie die Dreifachbelastung von Beruf, Kinder- und Partnerbeziehung und Haushalt. Da war für Gefühle, Entspannung oder gar Schwächen wenig Platz. Die Leistungs-Frauen, die wir mehrheitlich aufstrebend in der heutigen Gesellschaft finden, haben keine positive Selbstwertschätzung für Ihr Frausein und den weiblichen Qualitäten.
Sie sind ins Männerland gewechselt und haben die dafür erforderlichen männlichen Werte und Qualifikationen erworben, um sich dort, an der Seite des Mannes ihren Platz zu erkämpfen und zu behaupten.
Sie sind ins Männerland gewechselt und haben die dafür erforderlichen männlichen Werte und Qualifikationen erworben, um sich dort, an der Seite des Mannes ihren Platz zu erkämpfen und zu behaupten.
Meiner Erfahrung nach sind die meisten Frauen nicht glücklich, wenn ihre männliche Seite sich erfolgreich im Konkurrenzkampf gegen die Männer durchsetzt. Eine tiefe, unerfüllte Sehnsucht nach Weiblichkeit, nach Hingabe und Harmonie, nach innerem Frieden, Verbundenheit und intensiven Gefühlen bleibt. So fühlt sich manch erfolgreiche und autonome Frau leer, ausgebrannt und einsam – trotz vieler Bestätigungen und sozialer Kontakte.
Wenn ihre ursprünglich feminine Seite verkümmert, kann sich dies in verschiedenen Aspekten zeigen:
1. Der vermännlichte Frauenkörper
Die Vermännlichung der Frauen kann sich zunächst am Körper zeigen. Das Ideal der körperlichen Maße gleicht heute eher dem schlanken, kantigeren männlichen Körperbau als den rundlicheren weiblichen Formen mit ausladenden Hüften. Früher ging man davon aus, dass ein breites Becken Geburten begünstigt, sodass sie als ein Zeichen mütterlich-weiblicher Qualität galten. Da Mutterschaft in unserer Gesellschaft jedoch nicht mehr per se als weibliche Aufgabe anerkannt wird, verliert auch die körperlich Entsprechung ihre Akzeptanz und verändert das weibliche Schönheitsideal. Hinzu kommt ein eher funktionales, distanziertes Verhältnis zum eigenen Körper, was bisher eher dem Mann zugeschrieben wurde. Der Körper wird dabei wie eine Maschine betrachtet, die zu laufen hat und die mit Sport ertüchtigt und mit Kosmetik verschönert wird, damit sie gut funktioniert und Bestätigung bekommt.
2. Mangelndes Körpergefühl
Eine weibliche Qualität ist das intensive Erleben mit allen Sinnen; schmecken, riechen, fühlen und hören. Um die Sinne aber öffnen zu können, sie empfänglich zu machen, braucht es ein gutes Körpergefühl, denn sinnliche Wahrnehmung hat immer mit einem ausgeprägten Körperbewusstsein zu tun. Um intensiv zu fühlen, muss frau zunächst sensibel für ihren eigenen Körper werden, ihm Aufmerksamkeit schenken, ihn gut kennen und sich wohl in ihm fühlen. Doch viele Frauen betrachten ihren eigenen Körper mit der männlichen Bewertungsbrille: Ist er gesund, funktioniert er gut und wirkt er attraktiv auf andere? Das führt zu Distanz zum eigenen Körper: er wird dann eher wie ein Werkzeug betrachtet, anstatt ihn liebevoll von innen zu fühlen. Dieser männlich-distanzierte Umgang mit dem eigenen Körper entfremdet Frauen aber von sich selbst. Der liebevolle Zugang zum eigenen Körper ist meiner Erfahrung nach jedoch die Basis für ein gutes Verhältnis zur eigenen Weiblichkeit.
3. Selbstkritik
Mit dem kritischen Verstand, den Frauen verstärkt entwickelten, beurteilen sie nicht nur die Männer, sondern bewerten sie vor allem sich selbst. Statt sich selbst anzunehmen und wertzuschätzen, was weibliche Attribute sind, disqualifizieren sie sich durch erbarmungslose Selbstkritik sowohl dem eigenen Körper als auch ihrem Verhalten gegenüber. Fast jede Frau kennt den morgendlichen kritischen Blick in den Spiegel, um den kleinsten versteckten Makel zu entdecken. Kein Mann betrachtet eine Frau so kritisch, wie sie es selbst tut. Den meisten Männern fallen die kleinen Mängel, unter denen manche Frauen leiden, gar nicht auf. Wunderschöne Frauen kasteien sich täglich durch überkritische Blicke und einen leistungsorientierten Anspruch ihrem Körper gegenüber. Diese distanzierte und harte Betrachtungsweise lässt auf eine mangelnde Wertschätzung sich selbst gegenüber schließen.
4. Funktionieren und organisieren
So wie der Körper funktionieren muss, unterliegt auch die übrige Lebensweise der Frau eher männlichen Prinzipien. Sowohl berufliche wie auch private Anforderungen werden mit Qualitäten wie Disziplin, Willensstärke und Durchsetzungsvermögen gemeistert. Arbeitskollegen und -kolleginnen werden als Konkurrenten gesehen, die der Karriere im Weg stehen. Fast die Hälfte aller Frauen in den Großstädten lebt autonom und steht ihre Frau ohne Mann – und oftmals mit Kind. Sie sind fast ausschließlich damit beschäftigt zu tun, zu organisieren, zu funktionieren und zu managen. Bedingt durch die Doppelbelastung von Beruf und alleiniger Erziehung fühlen sie sich bald chronisch überfordert, ausgebrannt und leer. Hierbei kommt das weibliche Prinzip, das sich im Miteinandersein, im Entspannen, im Spielen mit den Kindern, im Verweilen schöner Augenblicke zeigt, ziemlich zu kurz.
5. Trennung von Verstand und Gefühl
Die einseitige Förderung ihres kritischen Verstands sorgt dafür, dass Frauen sich nicht mehr so leicht von Männern etwas weismachen lassen. Aber es fällt ihnen auch zunehmend schwer, sich für einen Mann zu begeistern und sich verführen zu lassen. Skeptisch seziert sie jede seiner Bemerkungen, bewertet seine Verhaltensweisen. Es fehlt die tolerante und großzügige Haltung, die auch einmal fünf gerade sein lassen kann. Damit hält sie den Mann auf Distanz und sichert sich die Kontrolle im Kontakt mit ihm. Solche Verhaltensweisen, die wir uns antrainiert haben, stellen wir gar nicht mehr infrage und halten sie für selbstverständlich. Die immer größer werdende Kluft zwischen Gefühl und Ratio erschwert es Frauen, sich für jemanden zu entscheiden. Einerseits möchten sie sich mit jemandem verbinden, andererseits werden sie von ihren bewertenden Gedanken terrorisiert: „Ich kann meinen Kopf nicht loslassen", „ich kann einfach nicht abschalten" oder „ich verliebe mich nicht mehr", sind typische Kommentare von Frauen mit zu viel männlicher Energie.
6. Frauen haben in Partnerschaften die Führung
Besonders drastisch aber zeigt sich die Vermännlichung von Frauen in Partnerschaft und Sexualität. Für viele Frauen ist es selbstverständlich, dass sie die Hosen anhaben, und zwar bei Tag und bei Nacht. Sehr humorvoll wird dies in dem Ein-Frau-Theaterstück „Cavewoman" dargestellt. Sagt der Freund zur Frau: „Na, in deiner Beziehung hast du doch auch die Hosen an." Entgegnet sie: „Na und? Wenn sie mir doch passen." Diesen Standpunkt vertreten einige Frauen, für die es selbstverständlich ist, dass sie Entscheidungen für beide treffen. Mit dem Argument, dass der Mann sich sowieso nicht dafür interessiert oder kein Engagement zeigt, richtet sie die gemeinsame Wohnung oder das Haus ein, plant den nächsten gemeinsamen Urlaub, lädt die Freunde zur Eröffnungsparty ein und nötigt ihm beim Einkauf eine Stil- und Farbberatung auf, ob er das will oder nicht. Mit großer Selbstverständlichkeit und Disziplin organisiert sie das Alltagsleben und wundert sich irgendwann, dass der Mann sich immer mehr zurückzieht. Hier geht alles nach ihren Vorstellungen, nach ihren Plänen. Den Mann erstaunt das nicht, und es fühlt sich für ihn auch vollkommen normal an, wenn er sich ihrem Willen fügt und anpasst. Denn er hat häufig bereits von Kindesbeinen an bei der dominanten Mutter und dem nicht anwesenden Vater gelernt, [B2]dass die Mama-Frau das Sagen hat und er um des lieben Friedens willen lieber schweigt und klein beigibt. Er bringt sich dafür mit seinen weiblichen Qualitäten ein, sorgt dafür, dass die gemeinsame Zeit harmonisch verläuft, sorgt für Entspannung, Humor und Spiel, hört ihr zu, wenn sie von ihrem gestressten Alltag erzählt und sucht sie mit seinen Zärtlichkeiten milde zu stimmen.
Das wäre ja eine Arbeitsteilung, mit der sich beide glücklich bis an ihr Lebensende arrangieren könnten, wenn es nicht die Unzufriedenheit der Frau gäbe, die sich einen adäquaten Mann gewünscht hat, der ihr einen Teil der Aufgaben und Verantwortung abnimmt, einen Mann, der ihr gewachsen ist und seinen eigenen Standpunkt vertritt, und keinen kleinen Jungen, der zu allem Ja und Amen sagt. Dass auch die Frau mit ihrem Mann das Drama ihrer Kindheit mit ihrem schwachen oder permanent abwesenden Vater auf die aktuelle Bühne ihrer Partnerschaft holt, versteht sie meist nicht. Dieses aktuelle leidige Thema wird auf herzerfrischende, humorvolle Weise in vielen Frauenbüchern selbstironisch dargestellt – jedoch ohne Alternative, wie es anders gehen kann.
7. Vom Alpha- zum Betamann
In den letzten Jahren lese ich in einschlägigen Frauenbüchern und höre in meinen Frauentrainings von immer mehr Frauen, die die emotionale Abhängigkeit ihrer Männer beklagen oder auch deren tendenzielle Lustlosigkeit. Doch in Ländern wie Deutschland, Belgien oder Schweden mit einer hohen Lebenserwartung und guter Gesundheit punkten Männer mit femininem Aussehen und weiblichen Eigenschaften. Sind Frauen beruflich erfolgreich und ökonomisch unabhängig, scheinen sie ohnehin femininere Männer für eine Partnerschaft zu bevorzugen, da sie ihnen verständnisvoller, kommunikativer und für Familie und Kinder aufgeschlossener und kooperativer erscheinen.
Doch selbst wenn Frau zunächst auf den klassischen erfolgreichen Macho mit schmalen Lippen, vorgestrecktem Kinn und arroganter Haltung steht, sorgt sie im Laufe der Partnerschaft dafür, dass sie ihren anfänglich dominanten Alphamann betaisiert. Dies geschieht durch unbewusste Verhaltensmechanismen, mit deren Hilfe, die Frau den Mann und die Beziehung kontrollieren will. Das eher instinktive Verhalten, entstammt überwiegend dem „Reptilienhirn" (auch Stammhirn genannt), den entwicklungsgeschichtlich ältesten Teil unseres Gehirns, der für alle unbewusst ablaufenden Grundfunktionen im Leben verantwortlich ist: Bewegung, Jagen, Revierabsteckung, Triebe, Paarungsverhalten, Flirt. Dahinter steht das Bedürfnis der Frau, den Mann beim Aufziehen und Versorgen der Kinder einzubinden, und sich des Schutzes vor Bedrohungen von außen zu versichern. Die Betaisierung des Mannes geschieht durch verschiedene Tests (Shittest), mit denen sie die Loyalität und Stärke ihres Partners testet, sowie meist unbewussten „Erziehungsmaßnahmen", mit denen sie Kontrolle über ihn und seinen Kontakten ausübt, wie das Einfordern von Rechenschaftsberichten, emotionale Dramen, um seine Aufmerksamkeit zu fixieren, Wecken von Schuld- und Schamgefühlen, Manipulation, Liebes- und Sexentzug und so weiter. Die Art und Weise, wie ihr Partner darauf reagiert bestimmt dann ihr weiteres Verhalten ihm gegenüber. Bleibt der Mann in diesem Test nicht souverän, gelassen und standfest, hat er verloren. Er gibt die Kontrolle auf und nimmt die Opferrolle ein. Eine Frau kann sich jedoch mit so einer Haltung ihres Partners nicht zufrieden geben. Sie wird nichts unversucht lassen und ihn weiter provozieren, in der Hoffnung, dass er doch noch seinen Mann steht und ihr Parole bietet. Geschieht dies nicht, beginnt die Abwärtsspirale der Beziehung: die Frau verliert die Achtung und das Vertrauen in den Mann und beginnt ihn zu traktieren und zu kommandieren und wird bei diesem Prozess immer mehr zur dominanten Mutter, die den Mann lobt oder bestraft und von ihm eine Anpassung an ihre Vorstellungen fordert. Dabei bestimmt dann ausschließlich sie wie die Atmosphäre zu Hause ist, wie viel Nähe oder Distanz zwischen ihnen ist und wann sie Sex haben. In Auseinandersetzungen fühlt er sich meist als der Verlierer und er versucht ihr zu entfliehen, was sie wütend macht. Je mehr eine Frau gegenüber ihrem Partner jedoch in die dominante Rolle der Mutter schlüpft, umso mehr verliert sie den Zugang zu ihrer fraulichen Seite. Ihr Mann wird zu einem weinerlichen, abhängigen Jungen; sie dagegen verhärtet und vertrocknet dabei. Die Vorgehensweisen der Betaisierung des Partners sind individuell etwas unterschiedlich, aber jede Frau beherrscht sie instinktiv oder auch bewusst. Das hat allerdings schwerwiegende unangenehme Nebeneffekte: Die Beziehung vergiftet durch gegenseitiges Misstrauen und der Partner wird respektlos oder im besten Fall mitleidig behandelt. So oder so sinkt seine Attraktivität unter Null. Da muss dann irgendwann ein neuer und aufregender Alphamann her.
8. Vermännlichte Sexualität
Die Sexualität von uns Frauen verläuft zum großen Teil immer noch nach den Vorgaben der männlichen Sexualität. Erst langsam verbreitet sich die Erfahrung und Erkenntnis, dass eine Sexualität unter weiblicher Maßgabe anders ist, als viele Frauen leben. Es gibt einige Frauen, die nur schwer oder gar nicht einen Orgasmus bekommen können. In der Sexualberatung liefern sie auch meist gleich die Ursache hierfür mit: „ Ich kann mich nicht fallen lassen; ich kann nicht die Kontrolle aufgeben." Die Fähigkeit, einen Orgasmus zuzulassen, setzt tatsächlich viele weibliche Qualitäten voraus, die frau dann neu entdecken und entwickeln darf: die Fähigkeit, ganz im eigenen Körper präsent zu sein und diesen von innen zu fühlen, die Fähigkeit, sich mit den eigenen körperlichen Empfindungen sowie mit dem Partner verbinden zu können. Zu lernen, ganz in den Augenblick hinein zu entspannen und die Kontrolle der Gedanken zugunsten des Fühlens aufgeben zu können. Nicht damit beschäftigt zu sein, in welchen Stellungen frau besonders vorteilhaft zur Geltung kommt, sondern die verschiedenen Körpergefühle lustvoll und frei ausdrücken zu dürfen.
Der lieblose Umgang mit dem eigenen Körper degradiert vor allem bei jungen Frauen die Selbstbefriedigung zu einem gefühlsarmen Masturbieren, wie es auch von Männern bekannt ist: ein zielgerichtetes Erzeugen eines klitoralen Orgasmus mittels Brausekopf oder Vibrator. Der Körper wird hierbei überhaupt nicht mehr liebevoll berührt, stattdessen wird in Minutenschnelle Druck abgelassen – als Stressabbau oder zum Einschlafen. Einen vaginalen oder gar einen Ganzkörperorgasmus kennen nur wenige Frauen, denn das braucht Vertrauen und Hingabe im Sex – an den Partner, aber vor allem an sich selbst als Frau. Daher sind meiner Erfahrung nach viele Frauen von einer erfüllenden weiblichen Sexualität noch weit entfernt. Die Note „befriedigend" im Sinne von gegenseitiger Bedürfnisbefriedigung reicht vielen aus – obwohl noch viel unentdecktes und ekstatisches, ja sogar heilendes Potenzial in der Kraft der weiblichen Sexualität liegt.
9. Somatische Krankheitssymptome
Um einen gleichberechtigten Platz in dieser Gesellschaft zu erringen und sich aus alten konventionellen Rollen zu befreien, mussten Frauen das männliche Feuer entwickeln: Eroberung, Abenteuer, Leistung, Kampf, Zielstrebigkeit und Schnelligkeit. Doch zu viel Feuer führt zum Burn-out – wie der Name schon sagt. Das weibliche, ausgleichende Element ist das Wasser: Es fließt, umspült und spiegelt die Umwelt wider. Es passt sich dem Untergrund an, ohne sich selbst zu verlieren. Es entspannt, harmonisiert und verbindet. Wenn das feminine Wasserelement fehlt, kommt es zu einer Expansion des inneren Feuerelements, was sich bei anhaltendem Zustand in diversen körperlichen Krankheitssymptomen äußern kann. Zu hohe Leistungsansprüche und Überlastung ohne entspannenden Ausgleich können zu Rückenproblemen und Bandscheibenvorfällen führen.
Starke Nackenverspannungen und als Folge davon Migräne können die Folge von großer Verantwortung und zu viel Kontrolle sein. Diese somatischen Symptome nehmen in den letzten Jahren gerade bei jungen Frauen zu. Dahinter lässt sich fast immer ein hoher Leistungsanspruch an sich selbst bei geringem Selbstwertgefühl entdecken sowie das Fehlen einer inneren Balance und Harmonie. Permanente Anspannung und Kontrolle in Beruf, Partnerschaft, Kindererziehung und selbst im Sex fordern ihren Preis.
10. Beruf statt Mutterschaft
Vielen Frauen in Deutschland fällt die Entscheidung für ein Kind schwer. In seinem Artikel „Was sie wirklich will" belegt der Fokus laut seiner Umfrage, dass mehr als 40 Prozent der deutschen Frauen im Alter von 25 bis 49 Jahren in einem kinderlosen Haushalt leben. Dafür mag sicherlich zum einen der äußere Faktor verantwortlich sein, dass es noch immer nicht genügend Kindertagesstätten gibt. Aber auch die berechtigte Sorge, beruflich nicht wieder den Anschluss zu finden und der beruflichen Karriere damit zu schaden, lässt Frauen zögern, in Mutterschaft zu gehen. Ein weiterer, tieferer Grund dafür liegt jedoch meines Erachtens im Verständnis von der gesellschaftlichen Rolle der Frau beziehungsweise vom Status der Mutter. Denn nach dem traditionellen Rollenverständnis tritt im deutschsprachigen Raum die Frau zugunsten der Mutterschaft vollständig in den Hintergrund. Da die Mutter bei uns als der wichtigste und natürliche Ansprechpartner des Kleinkindes gilt, ist von ihr unbedingte Aufmerksamkeit und Verfügbarkeit gefordert – und das 24 Stunden am Tag.
Die beruflichen Ambitionen sowie alle anderen legitimen Interessen müssen demnach hinter der Fürsorge für das Kind zurücktreten. Seit die Mutterschaft aber bei deutschen Frauen nicht mehr als Inbegriff des weiblichen Lebens gilt, erleben Frauen den Konflikt zwischen Kind und dem eigenen Leben als Frau, die manche in die Zerreißprobe führt.
Auch der hohe Grad an Individualismus und das Streben nach Selbstverwirklichung machen die Mutterschaft für Frauen nicht unbedingt attraktiv. Denn die damit verbundenen Werte der Freiheit und Unabhängigkeit stehen in starkem Widerspruch zu den Anforderungen eines Kindes. Die bisherige Sorge um sich selbst muss der Fürsorge für ein anderes Wesen weichen und die Freiheit, zu tun, was frau will, zugunsten der Hingabe aufgegeben werden.
Die Qualitäten der Mutterschaft erscheinen vielen erst einmal als ein Widerspruch zu dem, was sie zuvor entwickelt haben und ihnen wichtig war. Geduld, Langsamkeit, Abhängigkeit, Fürsorge, Einfühlungsvermögen und Hingabe sind keine Attribute, die Frau wertschätzt, da sie in unserer Gesellschaft wenig Anerkennung finden und für das berufliche Fortkommen wenig sinnvoll und nützlich erscheinen. Diesen tieferen Grund habe ich immer wieder in Gesprächen mit Frauen herausgehört, die mit dem ersten Kind zu Hause geblieben sind und den Rückeinstieg ins Berufsleben immer wieder hinausgezögert oder ganz abgelehnt haben: Ihnen fehlte die Flexibilität, zu den Verhaltensanforderungen des Berufslebens zurückzukehren. Er spielt auch eine Rolle bei Frauen, die bewusst auf Kinder verzichtet haben, weil sie die dafür erforderlichen Qualitäten für sich ablehnen und sie als hinderlich für ihr Frausein als auch für ihre berufliche Karriere ansahen. Mutterschaft und die damit verbundene Lebensart ist für die moderne Vorstellung von Frausein schwer integrierbar.
Doch allein die Veranlagung zur Mutterschaft fordert jede Frau heraus, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen und einen eigenen Standpunkt und Umgang damit zu finden.
Auf der Suche nach weiblicher Identität bedarf es jedoch nicht nur der Auseinandersetzung mit dem eigenen Muttersein. Die Tatsache, dass wir alle eine Mutter haben und von dieser Frau geboren und zumeist auch aufgezogen wurden, macht deutlich, dass wir elementar in unserem Frausein von der eigenen Mutter geprägt sind.