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Weibliche Sexualität webMit der sexuellen Revolution wurde die Frau orgasmuspflichtig. Aus dem neuen Postulat wiederum wurde eine Orgasmusfixiertheit, der sich auch die Frau im sexuellen Zusammensein nicht entziehen kann. Das kann den Sex zu einer ziemlich ernsten und anstrengenden Angelegenheit machen, bei der sich beide mühen und abarbeiten, um das Ziel zu erreichen. Gerade die Fixierung auf den Orgasmus und der damit einhergehende Leistungsdruck führt jedoch zu einer Anspannung, die dafür sorgt, dass das Ziel nicht erreicht wird und der Orgasmus ausbleibt.

Der weibliche Orgasmus

Die Komplexität und die unterschiedlichen Erscheinungsbilder des weiblichen Orgasmus haben immer wieder zu einem Streit auch unter Sexualforschern geführt, was nun der „richtige" weibliche Orgasmus ist und wie dieser auszusehen hat. Der Orgasmus geschieht nach einer meist längeren oder auch kürzeren Stimulierung der weiblichen Geschlechtsorgane: der Brüste, der Vulva, der Klitoris, des G-Punktes, des Muttermundes, des Perineums. Durch die Stimulierung der Lustzentren wird deren Blutzufuhr verstärkt, und je nach innerer Vorbereitung schwellen die Lustlippen und jegliches Schwellgewebe innerhalb von fünf bis dreißig Minuten an. Brustwarzen und Klitoris richten sich auf und werden aus ihren Hautfalten freigelegt. Diese Erregungsphase kann sich weiter steigern, sie kann wieder abflauen und sich erneut steigern. Diese Phase wird als überaus lustvoll erlebt. Frau kann sich auf diesem orgasmischen Plateau lange Zeit aufhalten, vorausgesetzt, sie kann sich gut entspannen und genießt es, auf einem hohen Energieniveau zu verweilen. Dieses lustvolle Verweilen in hoher Energie ist jedoch nur möglich, wenn die männlich geprägte Vorstellung zielstrebig einen Orgasmus zu bekommen, aufgegeben werden kann.

Viele Frauen kennen nur diese orgasmische Plateauphase. In dieser Phase kann frau aktiv dynamisch sein, wenn sie dabei eine Position wählt, in der sie sich gut bewegen kann und ihr Atem frei fließen kann (Löffelchen- oder Hundestellung ist dafür besser geeignet als die Missionarsstellung). Sie kann aber auch passiv empfänglich in die subtilen inneren Bewegungen hinein spüren und sie mithilfe ihres tiefen und langsamen Atems unterstützen.

Wenn frau auf diese Weise Erregung aufbaut und dann in einem Moment hoher Erregung ganz ruhig und empfänglich wird und innerlich loslässt, kann ihr Orgasmus tief aus dem Becken, den Genitalien aufsteigen. Er ist gekennzeichnet durch das peristaltische Zucken der Beckenmuskulatur, dem Zusammenziehen der Vaginalmuskeln sowie der vermehrten Ausschüttung einer wässrigen Flüssigkeit aus den Bartholinischen Drüsen. Dieser Orgasmus kann punktuell wie ein Vulkanausbruch erlebt werden, der heftig tief und wild ist, sich aber schon nach wenigen Sekunden wieder legt und abkühlt. Solch ein Orgasmus bleibt auf Genitalien und Beckenraum beschränkt und gleicht dem des Mannes. In der Frau breitet sich das Gefühl, tief befriedigt zu sein, aus, das sie in ein entspanntes Nachspüren führt.

Der Orgasmus kann aber auch wie eine große Welle empfunden werden, die sich über den ganzen Körper ausdehnt, in die sich frau hineinfallen lassen kann und von der sie fortgetragen wird.

Auf welche Art sich der weibliche Orgasmus ausdrückt, eher punktuell oder im ganzen Körper hängt von der Länge des Liebesspiels und der Stimulation ab, so wie der inneren Bereitschaft der Frau. Sie muss sich von ihrem Partner angenommen und begehrt fühlen, Vertrauen zu sich selbst haben und auch die gesamte äußere Situation muss für sie stimmig sein.

 

Der Ganzkörperorgasmus

Wenn frau sich entscheidet über den punktuellen genitalen Orgasmus hinaus zu gehen, wird sie zur Wellenreiterin ihrer orgasmischen Energie. Das Abenteuer beginnt dann mit dem ersten Orgasmus, ohne gleich schon zu enden. Wenn sie nach dem Orgasmus weiter stimuliert, kann sie eine längere Zeit hintereinander mehrere Orgasmen haben, die sich mit kürzeren oder längeren Plateauphasen abwechseln, in denen sie unterschiedlich intensiv erregt ist. Je länger dieses orgasmische Spiel anhält, umso mehr verschwimmen die Grenzen zwischen einem klar abgegrenzten genitalen Orgasmus und dem orgasmischen Erleben im ganzen Körper. Wie Wellen breitet sich die sexuelle Energie im ganzen Körper aus, mal gewaltig, mal sanfter, und erfasst die Frau in ihrem ganzen Sein: Nicht nur der Körper, auch Geist und Seele werden ergriffen von dieser kraftvollen, geschmeidigen orgasmischen Welle. Dies ist der Zustand der Ekstase, in der die spirituelle Dimension der Sexualität erfahrbar wird: völlig gelöst von sich selbst zu sein und dabei gleichzeitig ein Gefühl von einem tiefem „All-eins-sein", einer starken Verbindung mit sich selbst und dem Partner.

Die Gefühle können dabei variieren von überschäumender Freude und Lebenslust, beglückender Liebe bis zu einem tiefen Frieden oder innerer Stille und Weite. Unsere sexuelle Energie, darf sie erst einmal frei fließen, ist unglaublich stark und machtvoll und führt uns in die Grenzenlosigkeit und Weite unseres eigenen Herzraumes und unseres Geistes. Daher wird nach solch einem orgasmischen Erleben die Frau neu geboren: du bist nicht mehr die, die du warst.

 

Klitoral, vaginal oder noch ganz anders

Unter Frauen und Sexualforscherinnen entbrennt eine neue Diskussionen darüber, welches denn nun der „einzig wahre", „richtige, weibliche" Orgasmus sei: klitoral, vaginal, G-Punkt- oder A-Punkt-Orgasmus, Ganzkörper- oder Mehrfachorgasmen.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts stellte Sigmund Freud die These auf, dass nur der durch Penetration ausgelöste Orgasmus in der Vagina der Frau ein „reifer" Orgasmus sei. Den klitoralen Orgasmus ordnete er der Adoleszenzphase zu und beurteilte ihn daher als Ausdruck von Unreife. Sein Orgasmusverständnis hielt sich in der wissenschaftlichen Literatur bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts als Alfred Kinsley mit seinem Kinsley Report die freudsche Theorie auf den Kopf stellte. In seiner berühmt gewordenen Studie postulierte er die Klitoris als einzige Quelle für den weiblichen Orgasmus. Er argumentierte, dass die Klitoris nahezu 8000 Nervenenden beinhaltet, während in der Vagina keinerlei Nervenenden verliefen. Er sah die einzige Funktion der Vagina darin, Penis und Samen des Mannes aufzunehmen. Kinsley´s Report war ein Befreiungsschlag für viele Frauen damals, die bis dahin darunter litten, dass sie in der Penetration mit ihrem Partner keinen Orgasmus bekommen konnten. Für die Feministinnen war es die lang ersehnte Freiheit und Bestätigung jetzt auch nicht länger durch den sexuellen Akt vom Mann abhängig zu sein. Auf ihren Demonstrationen schwenkten sie ihre Vibratoren als neues Werkzeug der Freiheit und machten sich auf die Reise, Masturbation und klitoralen Orgasmus neu für sich zu erforschen. Auch wenn wir heute über Kinsley hinaus gehen, bleibt es seiner Veröffentlichung zu verdanken, dass die Zahl jener Frauen damals drastisch in die Höhe ging, die zum ersten Mal einen Orgasmus erlebten.

1974 veröffentlichten die Sexualwissenschaftler Josephine und Irving Singer „The Goals of Human Sexuality" (Die Ziele menschlicher Sexualität), in dem sie viele verschiedene Orgasmuserfahrungen sammelten, systematisierten und das Wissen um den Weiblichen Orgasmus weiter entwickelten. Sie erkannten drei verschiedene Arten des weiblichen Orgasmus: den klitoralen Orgasmus, den uterinen Orgasmus und eine Mischform dieser beiden, den vaginalen oder G-Punkt-Orgasmus.

Der klitorale Orgasmus wird durch manuelle oder orale Stimulation an der Klitoris ausgelöst und ist unabhängig von der Penetration. Ihn begleiten unwillkürliche Kontraktionen im vorderen ersten Drittel des Beckenbodenmuskels. Er löst Multiple Orgasmen und ein Gefühl von Unersättlichkeit aus. Der uterine Orgasmus wird in der Penetration durch schnell tiefe Stöße erreicht, die den Muttermund stimulieren (A-Punkt). Die Stimulation des A-Punktes regt wiederum eine empfindliche Membran an, die in Verbindung mit dem Uterus (Gebärmutter) steht. Einen uterinen Orgasmus erlebt die Frau für gewöhnlich nur einmal beim sexuellen Akt und er ist zutiefst befriedigend. Der uterine Orgasmus wird als tiefe emotionale Erschütterung erlebt, die zu einem klaren emotionalen Ausdruck führt: die Frauen machen unwillkürlich laute Geräusche. Hierbei kommt es zu keinen messbaren rhythmischen Kontraktionen des Beckenbodenmuskels. Außerdem kommt es zu einem Apnoe-Reflex, wobei der Luftstrom in der Kehle kurzfristig unterbrochen wird, ähnlich wie beim Lachen, Schluchzen oder Gähnen, was zur Entspannung führt.

Der Vaginale Orgasmus weist verschiedene Elemente des klitoralen und uterinen Orgasmus auf. Er wird durch die Kombination verschiedener Stimulationen ausgelöst. Hierbei kommt es zu rhythmischen Kontraktionen im gesamten Beckenbereich sowie multiplen Orgasmen. Der Apnoe-Reflex kann auftauchen, ist jedoch weniger intensiv. Hinzu kommt die tiefe körperliche und emotionale Erfüllung und damit verbunden das Gefühl, das einmal genug ist.Die unterschiedlichen Orgasmen weisen auf die Vielfalt sexuellen weiblichen Erlebens hin.